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Was du als Frau über Zünfte wissen musst und was es braucht einer Zunft beizutreten

In unserem Newsletter vom 15.11.21 haben wir nach eurer Meinung zu Frauen in Zünften gefragt. Wir haben zahlreiche Antworten und Meinungen erhalten – eine davon von Sylvia Bandini. Sylvia ist in der Basler Zunft ‘Zunft zu Schneidern‘. Mit ihr haben wir uns über ihre Erfahrungen ausgetauscht, was es heisst, in einer Zunft zu sein und welchen Rat sie Frauen geben würde, die darüber nachdenken, einer solchen Gemeinschaft beizutreten.  

Du bist einer Zunft beigetreten, wie kam es dazu? 

Zur Zunft kam ich wie die Jungfrau zum Kind. Ich habe beim Laientheater ‘Baseldytsche Bihni‘ mitgespielt. An die Aufführungen kamen jedes Jahr Mitglieder der ‘Zunft zu Schneidern‘. So gingen wir anschliessend gemeinsam ins Theater ‘Beizli‘, wo mich unser Produktionsleiter, welcher selber auch in einer Zunft ist, fragte, ob ich nicht früher einmal in der Mode tätig gewesen und Basler Bürgerin sei. Da ich beide Fragen mit Ja beantworten konnte, folgte kurz darauf mein Antrag und meine Aufnahme in die Zunft. 

Was genau heisst es, einer Zunft zuzugehören? Welche sozialen Aktivitäten sind damit verbunden?

Da gibt es verschiedenes. Wir haben unseren monatlichen Zunftstammtisch, den Jahresausflug mit den Neuaufnahmen von Zunftbrüdern und -schwestern, unser Zunftspiel, das Adventsessen, sonstige Ausflüge und Besichtigungen mit der alten Garde der Zunft und natürlich den Besuch der ‘Baseldytsche Bihni‘. 

Zusätzlich bin ich noch Zunftpflegerin tätig. Jede Zunft hat eine Zunftpflege, wo sich Zunftmitglieder in Not Beratung und Unterstützung holen können.

Frauen sind (noch) nicht in allen Zünften erlaubt, was ist deine Meinung dazu?

Schneiderinnen in der Zunft gab es bereits im Mittelalter. Vor allem, wenn der Schneidermeister starb und die Witwe dann einen gewissen Schutz erhielt. Aber auch als Kontrolle, damit das Geschäft weitergeführt werden konnte, denn früher hatten Zünfte politisch viel Macht.

Da es damals keine Frauen als Schmiedinnen, Schuhmacherinnen, Gerberinnen, Winzerinnen etc. gab, scheint es mir logisch, dass es in diesen Zünften keine Frauen gab. 

In Bern wird übrigens die Zunftmitgliedschaft vererbt und dies auch auf Töchter! Dort sind zünftige Frauen also normal. 

Heute muss man als Zunftbruder dem ursprünglichen Handwerk nicht mehr angehören. In unserer Zunft hatten wir allerdings bis vor kurzem die Auflage, dass die Frauen des Schneiderinnen Handwerks kundig sein und einen Fachausweis besitzen muss, damit sie aufgenommen werden. Dies ist nun aufgehoben.

Gesamthaft kann ich mir vorstellen, dass es wie bei den Fasnachtscliquen ist. Also eine Frage der Zeit bis auch andere Zünfte die Türen für Frauen offen haben. 

Ich persönlich sehe das etwas gelassener. Natürlich ist mit der Gleichstellung das Recht zur Aufnahme gewährt. Aber muss Frau unbedingt mit Zwängen in reine Männerzunft reindrängen? Ich möchte ja auch nicht in jeder Frauengruppe Männer dabeihaben.

Inwiefern hilft dir die Zunft dabei, dein Netzwerk zu vergrössern resp. zu stärken? Hat dir der Zunftbeitritt beruflich weitergeholfen?

Natürlich berücksichtig man sich gegenseitig in beruflichen Belangen, wenn man sich aus dem Netzwerk kennt. Die Zunft ist aber nicht primär mein berufliches Netzwerk. Dafür habe ich heute die sozialen Medien, welche ich nutze. Beruflich hat mir die Zunft also nicht weitergeholfen. Als Pensionierte mit grossem Netzwerk bin ich aber auch nicht so darauf angewiesen.

Ich möchte als Zünftige vielmehr eine Tradition aufrechterhalten, so wie ich seit meiner Kindheit Fasnacht mache und in einer Clique Piccolo spiele. Ich fühle mich als Vollblut-Baslerin und pflege auch den Dialekt, deshalb auch mein Einsatz an der ‘Baseldytsche Bihni‘.

Welchen Rat hast du für Frauen, die darüber nachdenken, einer Zunft beizutreten?

Ich finde, dass Frauen sich folgende Fragen zu einem Zunftbeitritt stellen sollten: 

  • Aus welchem Grund möchte ich einer Zunft beitreten? Sind es berufliche Gründe oder aus Tradition?

  • Habe ich Freude am Vereinsleben? Interessiert mich das Zunftleben überhaupt?

  • Habe ich einen Bezug zur Basler Tradition?

  • Welche Zunft würde zu mir passen? Hätte ich dort eine Gotte oder ein Götti?

  • Wie steht die Zunft, welche zu mir passen würde, zu Frauen in der Zunft? Könnte ich damit leben, wenn ich nur ‘geduldet‘ werde?


Natürlich würde ich es sehr begrüssen, wenn junge Frauen sich für die Zünfte interessieren und sie für’s Vereinsleben motiviert wären. 

Über Sylvia Bandini

Sylvia Bandini ist 1947 in Basel geboren. Ihre erste Berufsausbildung hat sie als Modedesignerin absolviert. Zuerst als eidg. Damenschneiderin, anschliessend schloss sie Modedesign an der Schule für Gestaltung in Basel ab. 10 Jahre arbeitete sie bei einer renommierten Schweizer Firma, mit Aufenthalten an den Modemessen in Paris und München. Nachdem die Firma ihre Eigenproduktion eingestellt hatte, war sie während 10 Jahren Kursleiterin für Nähen und Design an der Migros Klubschule in Basel.

Mit 38 Jahren, entschloss sie sich nach einer Lebenskrise einen neuen Beruf zu ergreifen und machte die Ausbildung zur diplomierten Pflegefachfrau HF mit Schwerpunkt Psychiatrie.
An der UBK Basel arbeitete sie als Pflegefachfrau und Abteilungsleiterin. Während ihrer Tätigkeit absolvierte sie die Ausbildung zur zert. Biodynamischer Körpertherapeutin. Später wechselte sie an die Psychiatrische Klinik in Liestal und war für 5 Abteilungen zuständig. Eine Managementausbildung war dazu erforderlich. In dieser Funktion erweiterte sie ihre Coaching- und Supervisionskompetenzen.

Sylvia ist auch nach ihrer Pensionierung vielseitig interessiert und bildet sich stetig fort. Seit ihrer Pensionierung im Jahr 2011 arbeitet sie als Coach und Supervisorin BSO in verschiedenen Teams und in der Einzelberatung. Ihre Praxis befindet sich in der Basler Innenstadt am Spalenberg. Seit einigen Jahren ist sie zudem als Dozentin tätig, hat ein Buch Reifer für Neues mit NLP geschrieben, malt in ihrem Atelier und veranstaltet auch Ausstellungen. Bis zu ihrem 60. Lebensjahr ist sie Marathons gelaufen. Auch heute macht sie immer noch viel für ihre Gesundheit und Fitness.

Sylvia ist auf Facebook und LinkedIn und hat eine eigene Website – vernetze dich mit ihr!