Über Lohngleichheit, Lohnerhöhung und Lohnverhandlung – mit womenmatter/s-Circle-Mitglied, Agnes Schubert

Obwohl wir in einer Zeit leben, in der Gleichberechtigung und Fairness in der Arbeitswelt immer mehr gefördert werden, ist die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen immer noch ein Thema. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die dazu beitragen sowie: 

  1. Historische Gründe: In der Vergangenheit wurden Frauen oft als ‘nur’ Hausfrauen angesehen und daher schlechter bezahlt. Obwohl sich dies in der heutigen Zeit geändert hat, gibt es immer noch Vorurteile und Stereotypen, die das Bild von Frauen in der Arbeitswelt beeinflussen.

  2. Berufswahl: Frauen wählen häufiger Berufe in Branchen, die traditionell niedriger bezahlt werden, wie z.B. im Gesundheits-, im Bildungs- oder im Sozialwesen.

  3. Diskriminierung: Frauen können aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt werden, wenn es um die Einstellung oder um Gehaltserhöhungen geht.

  4. Arbeitszeit: Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit- oder Niedriglohnjobs, um sich um ihre Familie zu kümmern. Dadurch haben sie weniger Möglichkeiten, ihre Karriere voranzutreiben und höhere Löhne zu erzielen.

  5. Selbstbewusstsein: Frauen haben oft nicht das nötige Selbstbewusstsein und müssen ermutigt werden, ihre Löhne einzufordern und für ihre Rechte einzustehen.

Eine, die sich täglich mit der Gleichstellung von Männern und Frauen im Beruf, in der Familie und in der Gesellschaft beschäftigt, ist womenmatter/s Community Member Agnes Schubert. Sie arbeitet bei alliance F, dem grössten überparteilichen Dachverband der Schweizer Frauenorganisationen. 

In diesem Interview erfährst du, an welchen Projekten sie arbeitet, um die Gleichstellung von Mann und Frau voranzutreiben, wie sie es geschafft hat, sich erfolgreich in ihrer Karriere zu etablieren und wie sie mit einer Portion Selbstbewusstsein und Strategie ihren eigenen Lohn verhandelt hat. Sie wird dir auch erzählen, wie wir als Frauen die gleichen Gehaltschancen wie Männer erreichen können und wie wir die Unterstützung und das Engagement unserer Arbeitgeber:innen einfordern können. 

 

Am 18. Februar 2023 war Equal Pay Day in der Schweiz, um was geht es?

Der ‘Equal Pay Day’ ist ein internationaler Aktionstag, der die Lohnschere zwischen Männern und Frauen sichtbar macht. Der Tag fällt jedes Jahr auf das Datum, an welchem die Frauen, rechnerisch gesehen, ihren ersten Lohn erhalten – bei aktueller Bezahlung für gleichwertige Arbeit wie Männer. 

1966 fand in den USA der erste Aktionstag zur Lohngleichheit (Equal Pay Day) statt. Dieser Aktionstag ist 2009 ebenfalls von BPW Switzerland als Initiative für die Schweiz übernommen worden. Denn leider bleibt heute immer noch ein ungeklärter Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern in der Schweiz bestehen. Und das obwohl seit 1981 das Prinzip der Gleichstellung von Mann und Frau in Artikel 8, Absatz 3 der Schweizerischen Bundesverfassung verankert ist:

 „Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.“

Im 2023 fiel der ‘Equal Pay Day’ auf den 18. Februar. Die Zeitspanne zwischen dem 1. Januar und dem ‘Equal Pay Day’ wird als Gender Pay Gap bezeichnet. Also die Zeit, in der die Frauen gratis gearbeitet haben. 

In Zukunft soll es keinen ‘Equal Pay Day’ mehr geben müssen, sondern einfach den ‘1st Pay Day of the New Year’, den 1. Januar, geben. Und zwar für alle.

 

Welche Verantwortung für einen fairen und gleichen Lohn liegt dabei bei Unternehmen und welche bei uns Frauen?

Meiner Meinung nach liegt die Hauptverantwortung bei den Unternehmen. Das ist sehr wichtig – denn sie verhalten sich faktisch gesetzeswidrig, wenn sie Frauen weniger Lohn auszahlen als Männern, die die gleiche Arbeit tätigen. Das geschieht zwar nicht immer absichtlich, denn es sind tief verankerte Geschlechterstereotypen, die zu dieser Lohnungleichheit führen. 

Um sich ihrer eigenen Lohngleichheit sicher zu sein, können Unternehmen mehrere Dinge unternehmen. Regelmässige Lohnschecks lohnen sich, gerade um auch unabsichtlich entstandene Ungleichheiten aufzudecken. Seit 2020 sind Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden dazu verpflichtet, eine Lohnanalyse durchzuführen. Für kleine und mittlere Unternehmen unter 100 Angestellten ist der Lohncheck nicht obligatorisch. KMUs, die ihre Saläre trotzdem freiwillig unter die Lupe nehmen, sind auf der Höhe der Zeit und schaffen einen Wettbewerbsvorteil. Der Bund stellt Unternehmen zum Beispiel das Selbstanalyse-Tool Logib kostenlos zur Verfügung. Diese Analysen können mit relativ geringem Aufwand bewältigt werden. Mithilfe von externen Fachpersonen können auch detailliertere Lohnanalysen durchgeführt werden. Das hat Vorteile: Unternehmen erhalten so eine vertiefte Auswertung der Resultate und konkrete Handlungsempfehlungen, um Chancengleichheit nachhaltig zu verankern. Auch hilfreich um das Problem gar nicht erst entstehen zu lassen, ist die Lohntransparenz, also ein transparentes Lohnsystem, das Funktionen nach klaren und nachvollziehbaren Kriterien bewertet- die schafft Vertrauen. Wenn der Lohn oder das Lohnband auch im Stelleninserat offen kommuniziert wird, wissen Bewerberinnen von Anfang an, was lohnmässig möglich ist. Es hilft auch bei Einstellungsgesprächen strukturierte festgelegte Fragen zu stellen, damit nicht in Geschlechterklischees abgerutscht wird. Oder auch ganz blind einzuladen, also bei der Erstselektion von Bewerbungen alle persönlichen Angaben herauszustreichen. Alle diese Massnahmen können sehr detailliert herausgearbeitet werden. Es gibt also viele Möglichkeiten, eine Lohnungleicheuît im eigenen Unternehmen gar nicht entstehen zu lassen, aber es braucht auch die nötige Aufmerksamkeit dafür. Eventuell lohnt es sich eine:n Gleichstellungsbeauftragte:n anzustellen um genau alle diese Arbeit auf sich zu nehmen.

Und die Angestellten? Sie sollten unbedingt ihren Lohn einfordern. Denn wenn Frau merkt, dass sie Lohndiskriminierung erlebt, soll sie sich wehren. Sie kann sich über ihre Rechte schlau machen und diese ihren Vorgesetzten vorlegen. Die Verantwortung liegt dann bei ihr, sich klar und selbstsicher auszudrücken und einzufordern, was ihr zusteht. Das ist nicht immer einfach, gerade in männerdominierten Branchen, aber es ist wichtig diplomatisch und ruhig aufzuzeigen, dass Lohndiskriminierung illegal ist, und das Unternehmen bitte den Lohn so anpassen soll, wie es dies bei einem männlichen Kollegen tun würde. Ganz wichtig ist es, die eigene Arbeit nicht abzuwerten und nach Gründen zu suchen, warum es ‘eben vielleicht schon okay ist, dass der Lohn halt etwas tiefer ist’ – wir dürfen nicht vergessen, dass viele Frauen Sexismus und Genderklischees internalisiert haben und unbewusst mit diesen mitziehen. Das sind Rollenbilder und Machtverhältnisse, mit denen wir alle aufgewachsen sind und es ist nicht für jede Person gleich einfach zu erkennen, wo sie selbst diskriminiert wird. Gerade deshalb müssen Frauen andere Frauen ermutigen und immer wieder aufzeigen, dass ihre Arbeit genauso viel Wert ist, wie die der Männer.

 

Du hattest vor einigen Wochen selbst ein Lohnverhandlungsgespräch – wie hast du dich darauf vorbereitet?

Da sich meine Tätigkeiten etwas verändert haben und ich mehr Verantwortung übernehme, ging dies Hand in Hand mit einer Lohnerhöhung. Diese Veränderung in der Verantwortung ist auf natürliche Weise entstanden, da es auch Lücken zu füllen gab, in die ich gerne eingesprungen bin. Solche schleichenden Veränderungen führen dann aber nicht immer gleichzeitig zu einer neuen Job Definition mit angepassten Lohn. Ich habe mir also selbst aufgezeigt, wo ich gewachsen bin und mehr Verantwortung übernehme, damit ich dies dann auch so meiner Chefin zeigen konnte. Ausgedeutscht habe ich das im Vorfeld mit Freundinnen, die in ganz anderen Branchen arbeiten und immer sehr tough für ihre Löhne eingestanden sind. Das half mir, mir selbst klarer aufzuzeigen, was ich alles leiste.

Ich kann mich glücklich schätzen, so offen und direkt mit meinen Vorgesetzten reden zu können. Beim regulären Mitarbeiter:innengespräch wurde mir dann ein höherer Lohn zugesprochen, aber noch nicht fix, ich sollte also nochmal auf sie zugehen und ein Gespräch suchen. Da war der Ball also bei mir. Ich habe dann aber gemerkt, dass das Thema nicht absichtlich umgangen worden ist, und auf der To-Do-List meiner Chefin stand, ich musste sie nur ein paar mal daran erinnern ;).  Ich hatte immer wieder nebenbei angesprochen, dass wir mal meinen Lohn und meine Verantwortungen besprechen sollten und dafür einen Termin ausmachen müssen. Mal beim Kaffee, mal beim Zumbuslaufen. Das offizielle Gespräch hat sich dann relativ spontan ergeben und war sehr entspannt. 

 

Wie lange hast du dieses Gespräch vor dich hingeschoben, bevor du den Mut hattest, in die Lohnverhandlung zu gehen?

Ich wollte mich nicht aufdrängen – typisch – dabei hätte ich den Termin eigentlich schon länger einfordern müssen. Aber aus Angst, zu ‘stören’, liess ich etwas viel Zeit verstreichen. Nach ein paar Wochen aber war es mir unangenehm, weil mir die Klärung wichtig für mein Wohlbefinden auf der Arbeit war.

In meinem Fall ging es dann aber weniger um Mut, sondern eher darum, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Ich weiss natürlich, dass es Arbeitsfelder gibt, in denen Angestellte ihre Vorgesetzten kaum kennen oder diese sehr autoritär sind. Es funktionieren auch nicht alle Menschen gleich, und für manche braucht es mehr Mut, das direkte Gespräch mit Vorgesetzten zu suchen. Das ging mir vor einigen Jahren auch noch so. Mir half es dann zu denken: ‘Ich verlange etwas, was mir zusteht. Ich weiss auch, warum ich mehr Lohn möchte, und es liegt an meinen Arbeitgebern, mir dies zuzugestehen.’

Dennoch spielen mir ab und zu auch meine Gefühle einen Streich und ich muss mir Mut zureden. Ich muss manchmal mein hierarchisches Denken runterschrauben und mir sagen: ‘Es geht nicht um persönliche Beziehungen, sondern schlicht um eine Dienstleistung, die gebührend entlohnt werden soll. Es geht um meine Lohnarbeit und um die Spielregeln, die alle befolgen müssen.’ 

 

Was sind deine 3 wichtigsten Tipps an andere Frauen, die eine Lohnanpassung ansprechen wollen?

  1. Scouting – hör dich ruhig um: Was verdienen deine Kolleg:innen? Rede offen darüber, dass du eine Lohnanpassung anfordern willst, und frage deine Kollege:innen, was sie verdienen – evtl. auch wie das gerechtfertigt ist, falls es ein sehr anderer Lohn ist als deiner. Es gibt Firmen, die verbieten es ihren Mitarbeiter:innen über Löhne zu sprechen. Hier wäre ich sehr vorsichtig. Es ist nicht legal, das von Mitarbeitenden einzufordern, aber es schüchtert natürlich total ein. Löhne werden aber fairer, wenn sie öffentlicher werden. 

    In den letzten Jahren habe ich gemerkt, dass es für mich sinnvoll ist, das Thema ‘Lohn’ ganz offen anzusprechen – egal, mit wem ich's zu tun habe, also auch ausserhalb vom Arbeitsumfeld. Löhne und Geld scheinen oft ein Tabuthema zu sein, gerade dann, wenn Personen richtig gut verdienen. Meiner Meinung nach ist es aber wichtig, dass dieses Tabu gebrochen wird, dass es normal wird zu fragen: ‘He, was verdienst du eigentlich?’. Logisch, dann wird verglichen und gerechnet – und es gibt vielleicht Menschen, die sich dann für ihre Antworten schämen, aber genau dies trägt dazu bei, dass es eben noch ‘unerklärte’ Lohnunterschiede gibt.

  2. Fordere ein, was dir zusteht – insbesondere, wenn du eine Lohnanpassung einfordern willst, weil du merkst, dass du als Frau weniger verdienst, als deine männlichen Kollegen: suche das Gespräch mit deinen Vorgesetzten und sage klar: «Ich will verdienen, was mein männlicher Kollege, der die gleiche Arbeit wie ich ausführt, verdient.» Dann liegt der Ball bei ihnen. SIE brechen das Gesetz, wenn sie dir weniger Lohn geben. Du forderst nur die Gleichbehandlung ein, die dir zusteht. Wenn rumgedruckst wird, frage: Was sind die Lohnbänder, was sind die Anforderungen und Bedingungen? Warum sind diese nicht öffentlich? Auf diese Weise liegt die Verantwortung wieder bei den Vorgesetzten.

  3. Rechtfertige dich nicht – du forderst eine Lohnanpassung, weil du spürst, dass diese angebracht ist. Das kann sehr unterschiedliche Gründe haben. In sich schnell verändernden Arbeitsstrukturen ist es sicher manchmal schwieriger, den Überblick über Löhne zu behalten. Es soll aber kein Bazar sein, es soll dir bezahlt werden, was dir für deine Arbeit zusteht.

 

Du hast selbst am Projekt ‘Check your Salary’ mitgearbeitet, um was geht es und wie kann es uns Frauen helfen?

Das Projekt Check your Salary wurde Ende September 2022 lanciert. Die Webseite bündelt Informationen rund um das Thema Lohn- und Chancengleichheit für Unternehmen sowie Angestellte und mobilisiert Unternehmen mit einem Positiv-Wettbewerb zum Lohncheck. Unternehmen und Mitarbeiterinnen können sich mit der Plattform rasch und niederschwellig Wissen aneignen, um gegen Lohnungleichheit aktiv werden zu können.

Der Hauptfokus des Projektes liegt aber auf den Unternehmen. Betriebe werden auf eine motivierende Art zum Thema Lohn- und Chancengleichheit informiert. Ein visuell ansprechendes Video nimmt dich auf eine Reise und erklärt in Form einer kurzen Geschichte, warum Lohnungleichheit auch historisch bedingt ist und von tief verankerten Geschlechterstereotypen beeinflusst wird.  

Gleichzeitig mit der Lancierung der Webseite startete der Positiv-Wettbewerb von Firmen, die sich öffentlich zu Lohngleichheit bekennen. Eine eigens konzipierte Unterseite will Unternehmen auf spielerische Art und mit positiver Tonalität zum Lohncheck motivieren, damit sie Teil der Check your Salary-Bewegung werden. Voraussetzung ist eine Lohnanalyse mit Logib oder einem anderen Analysetool. Dafür erhalten sie eine (oder mehrere) von fünf eigens entwickelten Auszeichnungen, sowie ein Kurzprofil auf der Webseite. 

Wenn das Thema Lohngleichheit noch nicht so auf dem Tisch deiner Arbeitgebenden liegt, kannst du ja mal beiläufig in der Kaffeepause erwähnen, dass es doch cool wäre, euer Unternehmen bei Check your Salary anzumelden und einen Lohncheck durchzuführen. Das Ziel ist es, möglichst viele unserer Badges zu erringen, die das Unternehmen dann auch auf der eigenen Webseite nutzen darf. Dann heisst es auch bei euch ‘Salary checked’!

 

Wo dürfen sich Frauen mit dir verbinden?

Interessiert du dich für Lohngleichheit? Oder möchtest du dich in der Politik engagieren und Frauenthemen direkt in den Gesetzten besser stellen? Agnes ist erreichbar unter agnes.schubert@alliancef.ch, auf Linkedin (Agnes Schubert) und Instagram (@agnesshub). Die Projekte Check your Salary und Helvetia ruft! findest du auch auf Instagram unter @alliancef.ch und @helvetiaruft.

Agnes würde sich mega freuen, auch von dir zu hören, wie du sowohl als Arbeitnehmerin als auch als Arbeitgeberin Chancengleichheit für alle forderst und förderst. 

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Über die Kunst des Verhandelns und Dos & Don’ts für Lohngespräche – mit Frédéric Mathier

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